Mittwoch, Januar 17, 2007

Mut dazu, ein Tropfen zu sein, bei denen die DURSTIG sind


Der Tropfen auf den heißen Stein
Ich saß in meinem Gästezimmer, in Vellore, Südindien und war unglaublich müde. Nicht körperlich, die Hitze mag ich. Ich war innerlich erschöpft. Mein Herz war ohne Hoffnung.
Und voller Bilder: der ausgetrocknete Fluss in der Stadt, das Staudamm-Projekt im Norden, das dem Süden die Dürre bringt, die Bettler, der Staub, die Zahlen und die vielen hungrigen Kinder. In Indien leben über 20 Millionen Kinder auf der Straße. Im Shalom Kinderheim, wo ich gerade zu Gast bin, leben zwanzig. Resigniert denke ich: „Das ist der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.“ Es klopft. Eine junge Frau steht in meiner Tür und fragt, ob sie mir etwas zu trinken bringen dürfe. Ich bitte sie herein und wir trinken beide ein Glas frisches Wasser, schweigen, sehen uns an. Ich denke wieder ein Mal: Ein Optimist und ein Pessimist streiten, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist, ein Mensch bringt dem Durstigen ein Glas Wasser. Sie merkt wohl, dass ich geweint habe. Ich habe einen merkwürdigen Gedanken: „Sie hat lange schwarze Haare und dunkle Haut, und trotzdem sehen wir uns eigenartiger Weise ähnlich.“ Da sagt sie: „ Ich dachte gerade: Wenn ich Europäerin wäre, würde ich so aussehen wie du, nur deine hellen Haare und deine helle Haut sind so anders.“ Ich merke, dass mir wieder die Tränen kommen. Ich trinke mein Glas aus, sie schenkt nach. Ich erzähle ihr, was ich in den letzten Tagen gesehen habe und sage: „Ich musste den ganzen Tag an ein deutsches Sprichwort denken, das meint: Die Not ist so groß, dass dir jede Hilfe wie ein Tropfen auf einen heißen Stein vorkommt.“ Sie nickt. Ich spüre, sie versteht, aber sie stimmt mir nicht zu, sondern sagt:“Ich kenne dieses Sprichwort nicht. Aber, wenn du mich fragst – wenn ich ein Tropfen wäre, würde ich immer dahin gehen, wo kein Wasser ist.“ Sie steht auf und geht zur Tür, wendet noch ein Mal um und meint: „Und vorher würde ich noch ein paar andere Tropfen sammeln und wir würden gemeinsam gehen. Komm, die Kinder warten sicher schon und wollen singen.“ Ich bitte sie, schon ein Mal vorzugehen. Als ich ein paar Minuten später bei den Kindern bin und nach der jungen Frau frage, die zu Besuch ist, weiß niemand, wen ich meine. Ich beschreibe sie, aber niemand hat sie gesehen, niemand kennt sie. Ich denke: Dann war sie ein Engel mit dem Tropfen Wasser. Auf einen heißen Stein? Nein, in mein Herz. Und ich entscheide mich, mein Herz soll kein Stein sein. Mein Herz wird auch zu den Durstigen gehen. Und vorher wird ich noch ein paar andere Tropfen sammeln….

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

fand ich gut